Viele Besucher kennen Selbsthilfegruppen oder Gesprächskreise aus amerikanischen Krimis, wo Alkohol- oder Drogenabhängige in schäbigen Turnhallen über Ihre Suchtgeschichte sprechen, oft nach dem Konzept der Anonymen Alkoholiker (AA).

Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Besuch erinnern, den Termin haben ich lange vor mir hergeschoben, obwohl ich von der Fachstelle und Ärzten ermutigt wurde, hatte ich sehr ungute Gefühle.

Was erwartet mich?
Was ist, wenn du jemanden triffst, der dich kennt? Ich bin doch kein Penner, der auf der Straße lebt, ich habe doch mein Leben im Griff, was soll das bringen?  Mit zittrigen Beinen und Angst im Herzen bin dich dann doch durch die Tür gegangen.

So wie mir geht es den meisten vor dem ersten Besuch. Scharm, Ängste, Unsicherheit und die Ungewissheit sind unsere Begleiter und dabei ist es egal, ob wir Süchtige oder Angehörige sind.

Unsere Treffen finden in hellen, freundlichen Räumen im Gemeindezentrum der evangelisch-lutherischen St. Margarethen Kirchengemeinde Holtensen statt.

Auch haben wir keinen Stuhlkreis, sondern sitzen an einer Tischreihe und diese Tische sind mit Getränken, Gläsern und kleinen Dekorationen geschmückt.

Diese Gruppentreffen werden in der Regel von zwei erfahrenen Mitgliedern (Suchtkrankenhelfer-SKH) aus unserem Verein angeleitet.

Beispiel wie eine Gruppe abläuft:

Das Erklärvideo zeigt typische Gruppensituationen, Beitrag von unserem Bundesverband.

Ausschnitt vom Abschlussprojekt "Ausbildung zum freiwilligen Suchtkrankenhelfer" ca. 9min

Es beginnt mit einer kurzen Willkommen-Vorstellung der Gruppenbegleiter, wir stellen uns mit unseren Namen vor und berichten, wer wir sind und warum wir hier sind.

Dann wird der Ablauf und die wichtigsten Regeln unserer Treffen erklärt:

  • Schweigepflicht, nichts verlässt die Gruppe, unsere Suchtkrankenhelfer (SKH) sind sogar gesetzlich dazu verpflichtet.
  • Ehrlichkeit, bei sich bleiben, lieber nichts sagen als lügen/herumdrucksen.
  • Jeder kann einen Punkt setzen - das Zeichen für „HALT!“ / „STOPP“ – zum Beispiel in einer Belastungssituation.
  • Wer nichts sagen möchte, kann auch nur zuhören.
  • Dialog ist erwünscht, jeder spricht von seinen eigenen Erfahrungen.
  • Handy aus oder stumm, wer eher gehen muss/soll, darf das anmelden.
  • Aufzeichnungen der SKH dienen nur der anonymen Erfassung in einer Statistik.

Vorstellung des Konzeptes der Neue Suchtselbsthilfe:

  • Der Mensch/die Sucht und nicht das Suchtmittel steht im Fokus. Es wird kein Unterschied gemacht zwischen Angehörigen und Betroffenen, alle sind gleichberechtigt.
  • Anhaltende Abstinenz, Verlässlichkeit ist das große Ziel ......

Vorstellung der Gruppenbesucher:

  • Name, welches Suchtmittel? Wer möchte, Alter? Was wird erwartet? Was wird gesucht?
  • Wurde jemand „geschickt?“ TÜV, Arbeitgeber, usw. Bescheinigungen über den Besuch können ausgestellt werden und werden anerkannt.
  • Wie seid ihr auf uns aufmerksam geworden?
  • Kurze Befindlichkeitsrunde / Blitzlicht

Aus der Vorstellung- Befindlichkeitsrunde entwickelt sich ein Dialog als Beispiel drei mögliche Szenen:

  • Herr „A“ berichte das er es schon seit 8 Wochen geschafft hat, nicht zu spielen.
    • Frau „B“ fragt nach wie er das schaffen konnte, sie hat noch jeden Tag den Drang in die Spielhalle zu gehen und es fällt Ihr sehr schwer zu widerstehen.
    • Herr „A“ zählt die kleinen Schritte auf, mit dem es ihm gelingt, anders mit dem Druck umzugehen.
    • Herr „E“ berichtet über seine Entwicklung und was ihm und seiner trinkenden Freundin geholfen hat.
  • Frau „C“ fühlt sich sehr schlecht, ihr trinkender Mann macht ihr immer wieder Vorwürfe und gibt Ihr die Schuld an seinen Rückfällen.
    • Frau „D“ und Herr „E“ berichten über ähnliche Erfahrungen und die damit verbunden Gefühle. Herr „E“ berichtet, wann sich das Verhalten seiner Freundin geändert hat und wie jetzt die Gespräche zwischen den beiden laufen.
    • SKH „A“ erläutert an Hand von Beispielen, welche typischen Handlungsweisen Süchtige gebrauchen, die Schuld für Ihren Konsum bei anderen zu suchen. Dazu verteilt „A“ auch noch ein Infoblatt von unserem Bundesverband.
    • Frau „C“ fühlt sich verstanden und es geht Ihr schon deutlich besser.
  • Herr „F“ berichtet über einen Ausflug mit seinen beiden erwachsenen Kindern und vor allem über ein sehr intensives Gespräch mit seiner Tochter.
    • Frau „B“ fragt nach, wie die Situation früher in der nassen Zeit war.
    • Herr „F“ berichtet über das früher gestörte Verhältnis mit seinen Kindern und wie langsam eine Annäherung stattfand.
    • Frau „B“ sieht viele Parallelen zu ihrer Beziehung mit ihrem trinkenden Vater, der leider zu früh verstorben ist.
    • Herr „F“ fragt nach, ob es möglich ist, dass seine Tochter mal mit zum Treffen kommen dürfte: Sie hat noch viele Fragen über die Mechanismen der Sucht, die „F“ Ihr so aber so nicht beantworten kann.
    • Da die Tochter von „F“ 21 Jahre alt ist, wird von der Mehrheit ihr Besuch begrüßt.
    • Frau „C“ fragt bezüglich des Ausfluges nach, spontan entscheiden sich 5 Besucher am kommenden Sonntag den gleichen Ort zu besuchen.
    • Die Gruppe endet mit einer Abschlussrunde zur Nachfrage der Befindlichkeit.

Unsere Gruppenbegleiter fungieren in der Regel als Moderatoren sowie als Berater/Lotsen im Hilfesystem.

Eine Besonderheit in unserer Orientierungsgruppe ist, dass verschieden Begleiter die Gruppe anleiten. Unserer Gruppenbegleiter wechseln sich kontinuierlich ab. So wollen wir "neue Abhängigkeiten" zu den Helfenden vermeiden.

Wir öffnen die Tür in das Hilfesystem. Jeder Besucher wird aus sich Selber einen Weg aus der Abhängigkeit finden. Außerdem hoffen wir so besser eine Verbundenheit mit der Selbsthilfe / dem Verein aufbauen zu können.

Unsere Suchtkrankenhelfer / Gruppenbegleiter sind in einen guten Austausch und ergänzen sich mit ihren Stärken und Schwächen.

Durch regelmäßige Supervisionen wird dieser Austausch fachlich begleitet und belastende Situationen können so aufgearbeitet werden. Mit Fortbildungen, Schulungen, Teilnahmen an Arbeitskreisen und dem Besuch von Seminaren versuchen wir auf Veränderungen einzugehen.

Videos als weitere Beispiele und Anregungen für die Gruppenarbeit und wie Freundeskreise sich präsentieren.